Die Performance “Aschewrestling” wurde am Sonntag, 9. September, im Rahmen des Ars Electronica Festivals am Campus der Postcity uraufgeführt und mit einer kurzen Rede meinerseits eingeleitet, um auf den Pudertanz – viel eher aber die negativen, spießigen Reaktionen darauf – Bezug zu nehmen.
Zwei junge Frauen im Morgenmantel, eine davon ich, sind die Protagonistinnen der Performance. Links noch ein Durchschnittsösterreicher in Hemd und Cargo-Shorts, rechts ein Ziehharmonikaspieler in Latexanzug und BDSM-Maske. Als “Bühne” dient Kunstrasen im Boxring-Stil, der an Wald, Wiesen und Heidi-Flair erinnern soll.
Nach meiner Rede auf Englisch, und noch vor dem Einsetzen der Musik, wird mit zwei großen Bierkrügen, gefüllt mit Asche, angestoßen und der Mantel theatralisch von sich geworfen, um das darunter getragene Dirndl-Kleid zu enthüllen.
Das Abstreifen des Mantels markiert für beide Tänzerinnen eine neue Rolle; ab jetzt sind sie beschwipst-fröhliche Österreicherinnen, so wie man sie aus dem Bierzelt oder von Urfahraner Markt kennt. Ein unangenehmer Animateur, der Mann in Cargo-Shorts, befeuert die beiden, ermutigt die Besucher*innen zum Klatschen und springt belustigt auf der Bühne umher. Auch beide Tänzerinnen animieren zum Mitmachen, tänzeln auf dem Kunstrasen herum und klatschen angeregt in die Hände. Nach einem kurzen Einzählen startet der in Latexanzug geschundene, von dem Klischee seines Instruments geknechtete Musiker, den „Zillertaler Hochzeitsmarsch“ zu spielen – ein Stück, das für mich die Essenz von Österreichischer Volksmusik verkörpert und sich außerdem gut zum rhythmischen Tanzen und Kämpfen anbietet.
Fröhlich beginnen die Protagonistinnen, Elemente aus dem österreichischen Volkstanz, u.a. „Schuhplatteln“, darzubieten. Langsam wird klar, dass die beiden sich den Vorrang nehmen, einander das Rampenlicht stehlen und der Neid aufeinander ihr Gemüt zum Brodeln bringt. Man drängt sich vor, man macht sich wichtig, man steigt einander auf die Füße, bis eine der beiden nach einem Schubser auf dem Boden landet und aus Frust komplett die Fassung verliert. Das markiert den Wendepunkt, an dem das glücklich-patriotische Tänzeln zur Bierzeltschlägerei wird. Die gefallene Tänzerin greift zum Bierkrug und überschüttet ihre Mittänzerin mit Asche. Diese macht es ihr nach und eröffnet mit dieser Handlung den großen Kampf, während im Hintergrund fröhlich weitermusiziert und mit sexistischen Zwischenrufen zum Weiterpöbeln ermutigt wird. Es wird theatralisch gerangelt, gekämpft und gestritten, während graue Asche durch die Luft fliegt und die Körper beider Darstellerinnen ziert. Es wird an den Haaren gezogen, man bringt einander zu Boden, man verliert alle Selbstachtung und vor allem den Respekt füreinander.
Die Performance endet mit einer zeitgleichen „Asche-Watschn“, welche beide Protagonistinnen im selben Moment ins K.O. und somit zu Boden bringt. Die Musik endet abrupt, der Animateur zählt auf den Boden schlagend bis Zehn. Danach finden sich beide Tänzerinnen langsam wieder, stehen geschwächt auf und streifen sich beschämt die Asche vom Kleid. Beide, peinlich berührt, rücken sich Dirndl-Schürze, Haare und Bluse zurecht und vermeiden, ganz in Österreichischer Manier, den Augenkontakt zueinander. Beide gehen beschämt von der Bühne, als würden sie hoffen, dass niemand den kurzen Emotionsausbruch bemerkt hat – denn Gott, oh Gott, was würden denn die Nachbarn denken?
Idee/Konzept/Organisation/Choreografie/Tänzerin #1: Mary Mayrhofer
Choreografie/Tänzerin #2: Robin Grechenig
Musiker/Mann im Latexanzug: Lorenz Posch
Animateur/sexistischer Entertainer: Killian Chyba
Fotocredit: vog.photo